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Reisen als Raum des Schreibens im Verschwinden der Grenzen - Christian Krachts Reiseberichte über Asien: Der Gelbe Bleistift (Tagungsband der «Asiatischen Germanistentagung 2016 in Seoul» – Band 1)

Authors
Shin, Hye Yang
Issue Date
Aug-2022
Publisher
Peter Lang Verlag
Citation
Jahrbuch für Internationale Germanistik, v.145, pp 279 - 289
Pages
11
Journal Title
Jahrbuch für Internationale Germanistik
Volume
145
Start Page
279
End Page
289
URI
https://scholarworks.sookmyung.ac.kr/handle/2020.sw.sookmyung/151441
DOI
10.3726/b19282
ISSN
2571-7383
Abstract
Abgesehen von Reisen im Cyberspace, setzen Reisen als Handlung im allgemeinen voraus, dass man seine Stelle im Raum wechselt. Durch Reisen bewegt man sich von einem zu einem anderen Ort. Dieser Ortswechsel beeinflusst die Wahrnehmung und das Bewusstsein der Reisenden. Wie Reisende an einem fremden Ort ihre Umwelt beobachten und in sich aufnehmen, ist vor allem in der Reiseliteratur zu lesen. Schriftsteller der Reiseliteratur beschäftigen sich mit der räumlichen Alterität oder Fremdheit und versuchen aus ihrer Perspektive ihre Reise schriftlich zu fixieren und zu interpretieren. Ihre Reise wird daher vom Schreiben begleitet. Reisen bieten dem Schreibenden einen Raum, in dem er sein gewohntes Lebensumfeld mit dem neuen, fremden vergleicht und die Analogie oder Heterogenität herausarbeitet. Indem er über seine regionalen bzw. kulturellen Grenzen hinausgeht, reflektiert er seine gewohnte Welt und seine Identität mit ihren kulturellen Merkmalen. Reisen sind in diesem Sinne kulturelle Praxen in Grenzüberschreitungen und bieten Schriftstellern anziehende Stoffe und Anlässe zum Schreiben. Für Christian Kracht, der seit seinem Debütroman Faserland (1995) zu den stark beachteten Vertretern der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur zählt, sind Reisen sehr häufig die Motive und Themen seiner Literatur. In Faserland verarbeitet der Erzähler seine Kindheitserfahrungen als TCK. TCKs, das heißt Third Culture Kids, sind „transkulturelle, in mehreren Kulturen aufgewachsene Menschen, Kinder von Missionaren, Entwicklungshelfern, im Ausland tätigen Militärs oder Mitarbeitern internationaler Konzerne. Wegen der von den Eltern übernommenen mobilen Lebensweise werden sie ‚globale Nomaden‘ genannt.“ An keinem Ort erlebt der Erzähler Zugehörigkeit. Ohne einen zusammenhängenden Lebenslauf driftet er allein durch deutsche Provinzen. Auch in seinem im Jahr 2002 erschienenen Roman mit dem Titel 1979 reist der Ich-Erzähler, ein deutscher Innenarchitekt, mit seinem Freund Christopher durch den Iran, weil Christopher ein Buch über die mamelukische Architektur schreiben will. Indem Christopher durch Drogenmissbrauch auf einer Party stirbt, findet beim Ich-Erzähler eine dramatische Lebensveränderung statt. Außer seinen Romanen, die mehr oder weniger von Reisen handeln, hat Kracht mehrere Bände mit Reiseberichten veröffentlicht: z.B. Ferien für immer (Reiseberichte, zusammen mit Eckhart Nickel, 1998), Der gelbe Bleistift (2000), Die totale Erinnerung. Kim Jong Ils Nordkorea (Bildband, zusammen mit Eva Munz und Lukas Nikol, 2006) und Gebrauchsanweisung für Kathmandu und Nepal (zusammen mit Eckhart Nickel, 2009). Rein die Titel der Reiseberichte verraten Krachts breite Reisekarriere, die sich in seinen Werken niederschlägt. Im Vergleich zu den Romanen, in denen sich letzten Endes der generelle Nihilismus des Autors radikal widerspiegelt, vermitteln seine Reiseberichte, unter anderem Der gelbe Bleistift im eher harmlosen, heiteren Stil dem Leser kulturelle Differenzen der Welt. Von 1996 bis 1999 schrieb Kracht regelmäßig Reisekolumnen für die Welt am Sonntag, und aus den Texten entstand das Buch mit dem Titel Der gelbe Bleistift (2000). Von Baku über Phnom Penh, Laos, Bangkok, Burma, Peshawar, Hong Kong, Goa, Singapur, Vietnam, Berlin-Phnom Penh, Ko Samui, Bangalore, Bali-Sri Lanka, Japan bis zu den indonesischen Molukken kann der Leser mit dem Buch eine halbe Weltreise machen. Das Buch dient aber nicht als ein touristischer Reiseführer mit reichlichen Reiseinformationen. In den Texten kann man mit den Augen des Schreibers, seine Gedanken zu Politik, Wirtschaft, Kultur und Menschen erfahren und, ihn an Ort und Stelle begleitend, die Städte sehen und fühlen. Da hier Krachts Reiseerlebnisse direkter ihren Niederschlag gefunden haben als in seinen imaginativ viel mehr ausgestalteten Romanen, eröffnet sich dem Leser mehr Raum, den nomadischen Charaker seiner Reisen einzusehen und auch Reisen als Raum des Schreibens zu verstehen.
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